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Falle Straßenbahn

Zwei außergewöhnlich aufmerksame, ältere Stammkundinnen sprachen eine Kollegin an und berichteten, was sie aus nächster Nähe beobachtet hatten: "Der junge Mann da hinten hat bei ganz vielen Kaffeepaketen die Aufkleber [Anm.d.Red: Die Warensicherungsetiketten!] abgerissen. Kaufen will der die bestimmt nicht, die hat der ganz sicher noch eingesteckt."

Sofort lief ich mit einer anderen Kollegin hinter dem Typen her, der bereits mit einem Rucksack auf dem Rücken den Laden verlassen hatte. Auf der anderen Straßenseite sprachen wir ihn an und baten darum, die von den beiden alten Kundinnen geäußerte Vermutung zu überprüfen, vorzugsweise durch einen ggf. entlastenden Blick in den Rucksack. Er ignorierte uns und ging einfach weiter. Auch die Drohung, die Polizei zu rufen, änderte nichts an seinem Verhalten.
Da wir zufällig gerade mal alle beide kein Handy bei uns hatten, lief meine Kollegin einige Meter vor und sprach eine dort laufende Kundin von uns an. Nach kurzer Erklärung lieh sie uns hier Handy, das wir auch mitnehmen konnten. Während wir mit der Notrufzentrale der Polizei telefonierten und ständig unseren Standort durchgaben, folgten wir dem Ladendieb zu Fuß immer weiter. Er ließ sich zwar nicht aufhalten, versuchte aber auch gar nicht, schnell zu flüchten.
Gut 800m von meinem Laden entfernt entdeckte er eine Straßenbahn in Richtung Innenstadt. Die Türen waren noch offen und er sprang schnell hinein, meine Kollegin konnte gerade noch einen Fuß zwischen eine Tür setzen, so dass diese sich wieder öffnete und ihr ebenfalls Einlass gewährte. Dann schlossen sich die Türen und die Funktion zum manuellen Öffnen wurde gesperrt. Hah, ich freute mich! Er saß in der Falle und die nervige Verfolgung hatte ein Ende. Ich sah und hörte bereits zwei Streifenwagen, die sich uns mit eingeschaltetem Blaulicht näherten und machte der Straßenbahnfahrerin ein Zeichen, dass sie nicht losfahren soll. Insgesamt standen nur wenige Augenblicke später sogar drei Polizeiautos vor und neben der Straßenbahn.
Die Fahrerin öffnete nur die vordere Tür, damit der Täter nicht flüchten konnte und ich durfte dann zusammen mit den Polizisten und unter den argwöhnlischen bis bösen Blicken etlicher Fahrgäste den Ladendieb raussuchen. Da meine Mitarbeiterin allerdings unmittelbar in seiner Nähe wartete, erwies sich die Suche als recht einfach. "Er ist es", erklärte ich den Uniformierten.
Nach kurzer Diskussion mit den Beamten, zwischenzeitlich wollte er mir sogar großzügig seinen gesamten Rucksack schenken, ließ er sich dann doch dazu bringen, auszusteigen. In seiner Taschen befanden sich wundersamerweise mehrere Pakete Kaffee. "Die habe ich gestern von einem Kumpel bekommen", versuchte er sich herauszureden. Um die Situation zu beenden, "schenkte" er mir den Kaffee bereitwillig. Er wollte ja schließlich keinen unnötigen Stress haben und wenn ich nichts besseres zu tun hätte, als ihm so weit hinterherzulaufen, dann soll ich doch mit dem "scheiß Kaffee" glücklich werden – er sei jedenfalls unschuldig. Außerdem möchte er uns anzeigen. "Weswegen denn?", erkundigte sich einer der Polizisten. Der Kaffeedieb anwortete: "Wegen Verfolgung." – kollektives Lachen und Schmunzeln.

Wieder im Laden bekam ich von der Polizei die Personalien des Ladendiebs. Er stand mir in der halben Stunde davor mehrfach gegenüber, aber ich habe ihn (als bekennender Gesichtslegastheniker) die ganze Zeit über nicht erkannt. Als ich den Namen las, klingelte es sofort bei mir: Der hat hier schonmal geklaut und deswegen auch eine Anzeige und Hausverbot bekommen. Vor ziemlich exakt einem Jahr, am 21. April 2010, war das. Erstaunlicherweise gab es dazu keinen Blogeintrag, aber damals hatte er auch schon Kaffee in seinen Rucksack gepackt und wollte einfach rausgehen. Da hatte ihm allerdings die Warensicherungsanlage noch einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht, diesmal waren es zwei aufmerksame alte Damen.

Als ich die Videoaufzeichnung für die Polizei sichtete und sicherte, staunte ich wieder. Nachdem er den Rucksack gefüllt und wieder verschlossen aufgesetzt hatte, nahm er im Vorbeigehen noch ein Kaffeepaket aus dem Regal und schob es sich mal eben unter die Jacke. Damit hat ja nun keiner gerechnet und diesen Teil der Beute habe ich auch leider nicht wiederbekommen. Mist.

Was das Schicksal des Ladendiebs betrifft: Nun hat er noch eine weitere Anzeige wegen Ladendiebstahls in seiner Akte, noch eine wegen des Hausfriedensbruchs dazu und wie immer wird gar nichts passieren. :-(

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Kommentare

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Klodeckel am :

QUOTE:
Damit hat ja nun keiner gerechnet und diesen Teil der Beute habe ich auch leider nicht wiederbekommen. Mist.

Solch ein "Mist" lässt sich sehr leicht vermeiden, indem man es sich zum Prinzip macht, JEDEN ertappten LaDi bis auf die Unterhose auszuziehen. Wenn die Grünen dabei sind, ist das deren Job, ansonsten kannst du dir 2 Minuten Strip gönnen.
Mit etwas Glück tauchen dabei noch ein paar "Zufallsfunde" auf, die das Strafmaß beeinflussen können. Denn ansonsten wird
QUOTE:
wie immer ... gar nichts passieren.

rusama am :

abgesehen vom gesunden frühsport und den grössten teil des kaffees zurück also nix als schreibkram der sinnfrei ist weil die justiz nix macht :-|

rusama am :

ganz vergessen zu fragen,wurden die zeuginnen denn wenigstens belohnt??

Björn Harste am :

Klar!
Zumindest die Frau, die uns das Handy geliehen hat.
Die beiden alten Damen noch nicht, sie waren nämlich schon weg, aber die kommen wieder. Sind Stammkundinnen. :-)

Schaf Nase am :

Ich glaub ich hab's:

Stammkunden sind die, deren Gesicht Du wiedererkennst?

MHD am :

Ich frage mich immer wieso Ladendiebe nix passiert :-O . Zumindest eine Geldstrafe die sie abstottern müssten oder abarbeiten. Ich kann mir nicht vorstellen das es keinen interssiert wenn einer immer wieder was mit gehen lässt und er ohne eine Verurteilung davon kommt. :-|

MHD am :

Na das wäre was, wenn jeder Ladenbesitzer einen Dieb zwingen würde sich auszuziehen, nicht mal in die mitgebrachte Tasche darf er rein gucken, da muss er extra die Grünlinge rufen :-D

MiniMoppel am :

Ist Containern - rein rechtlich gesehen - nicht auch Diebstahl?
:-O

MHD am :

Kommt auf das Bundesland an .... wer über Zäune springt und eingeschlossenes rausholt ist ein Dieb und das machen einige, die gehen Nachts los :-O ...

Guck mal im Netz nach, wer an Tonnen geht die offen sind und nicht abgeschlossen sind, sind rechtlich für jeden zugänglich und daher nicht Strafbar ..... haben das so gelesen als ich vor Jahren damit anfing ( mache da saber nicht mehr ) :-)

Nils am :

Sind denn die Kaffeepackungen durch die abgerissenen Sicherungsetiketten beschädigt oder lassen die sich noch ganz normal verkaufen?
Überaus dreist jedenfalls der Typ. Und dann geht er auch noch mit "Gewinn" (nämlich dem Kaffee) aus der Geschichte heraus (vorausgesetzt es passiert tatsächlich nichts). Ungerecht.

PS: Ob er wohl eine Fahrkarte für die Straßenbahn hatte? ;-)

Psycho am :

Straßenbahnen sind immer Fallen. Kaum verirrt man sich in ein solches Blechding gehen meist die Türen zu und die Rocker die vorne immer sitzen fahren los. Ich fordere daher ein sofortiges Verbot von Straßenbahnen, außer als Standobjekte!

Stephan535 am :

Ich denke Kaffee ist bei Dir "hinter Glas"?
Nicht mehr?

Gloria am :

@ MHD

Meines Wissens ist es nicht so, dass denen gar nichts passiert. Es dauert jedoch ewig, bis ihnen etwas wirklich Ernsthaftes, über Sozialstunden und Strafen auf Bewährung Hinausreichendes droht, nämlich Knast.

Vor allem bei den jungen Tätern bis etwa 25 Jahren steht hinter dieser Langmut die Erkenntnis, dass sie so mehrheitlich weit eher wieder zu Verstand kommen, als wenn man sie im Knast so richtig in schlechte Gesellschaft bringt.

Lady DryCunt am :

Sozialromantiker sterben wohl miemals aus.
Diese beständige Weigerung auch nur für kurze Zeit, und selbst da nur als Gast, an der Realität teilzunehmen ist schon erschreckend und greift leider immer weiter um sich.

The other one am :

Ladendiebe befinden sich doch in bester Gesellschaft:

Füllerklau

8-)

Gloria am :

Also, ich nicht, oder? Ich weiß ja nicht mal, was das ist. ;-)

Möchte noch nachtragen, dass Erkenntnisse von Kriminalisten und Polizeiforschern wohl nicht als Sozialromantik bezeichnet werden können.

Oskar am :

Nein, Stammkunden erkennt er daran, daß ihr Gesprächsthema darauf schließen lässt, daß sie schonmal dagewesen sein müssen. "In welchem Regel haben Sie denn neuerdings den zu klauenden Kaffee?" oder "Sie hatten doch letztes Jahr um diese Zeit Maschinenpistolen im Angebot. Kommen die auch dieses Jahr wieder rein?"

Oskar am :

Gilt das prinzipiell denn auch für die mancherorts gängigen Dreikanter? Das ist ja kein wirkliches Schloss, denn man braucht ja keinen Schlüssel, sondern nur ein Werkzeug. Und man braucht sich ja nichtmal einen solchen Dreikantschlüssel zu holen, sondern es reicht auch ein umfassendes Bit aus dem Werkzeugkasten (meistens 8er, bei der größeren Dreikantvariante 9er).

Ich glaub' ich hab' schonmal erzählt, daß die Freunde und Helfer während einer Mehroderwenigerroutinekontrolle einerseits Interesse am Inhalt meines Rucksacks zeigte. Mit der Zusage, daß das vom Hinterhof des Supermarktparkplatzes stammte, den ich direkt vor ihrem Streifenwagen verlassen hatte waren sie aber schon zufriedengestellt und verabschiedeten sich freundlich in die Nacht.

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