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Das Sch-Wort

Bei Gesprächen mit Kunden geht es neuerdings beinahe schon zwangsläufig um das Thema Corona, dann über Hamsterkäufe, Nudeln, Mehl und schließlich, wer hätte es gedacht, Toilettenpapier. Bei letzterem setzen dann viele Leute die gehamsterten Mengen in Relation zu dem, was gewöhnlich hinten wieder herauskommt.

Ich staune doch, wie viele auch augenscheinlich sehr kultivierte Leute das vulgäre Wort "schei*en" mehr oder weniger öffentlich völlig ungezwungen innerhalb eines Satzes verwenden. Ich musste mich ja gerade schon sehr durchringen, das hier überhaupt fast komplett auszuschreiben. :-D

Corona aus dem Sortiment?

Eine Kollegin berichtete, sie hätte in einer Twittermeldung gelesen, dass ein EDEKA-Markt aufgrund der aktuellen Situation das Bier Corona aus dem Sortiment genommen hätte. Ist zu mir nicht vorgedrungen, fände ich aber auch unsinnig. Auch Pietätgründe oder Respekt gegenüber Infizierten oder Toten sehe ich nicht als Argument. Das Bier gibt es seit Jahrzehnten und hat vielleicht auch schon Menschenleben auf dem Gewissen, aber aus anderen Gründen.

Andererseits wundere ich mich im Jahr 2020 über keine Stilblüten mehr, die aus vermeintlicher Rücksicht oder aus politischer Korrektheit entstehen.

Apropos Corona: Unser Corona-Aufsteller ist seit ein paar Tagen abverkauft und somit schon wieder aufgelöst. Also zumindest hier läuft das Bier nach wie vor gut, wenn nicht sogar noch besser als vor der Pandemie.

Das dringende Klopapier

Das wenige Toilettenpapier, das wir derzeit bekommen, haben wir hinten im Lager liegen und geben es nur heraus, wenn Kunden explizit danach fragen. Von uns kommt dann noch immer die Frage, ob es wirklich dringend ist. Manche Kunden überlegen dann kurz und verneinen ehrlich, andere bestätigen die Dringlichkeit.

So auch ein Mann mittleren Alters, der unbedingt Toilettenpapier brauchte. Zu Hause sei nur noch eine halbe Rolle und mit drei Kindern im Haus reicht das nicht lange. Ich lief also ins Lager und kam mit einer Packung "Zewa Smart" wieder. Hier spielt mittlerweile die Sorte keine große Rolle mehr, ich habe in den letzten Wochen so viele unterschiedliche Toilettenpapiersorten in der Hand gehabt, dass ich die Übersicht komplett verloren habe. Auch dieses Produkt von Zewa hat keinen unermesslichen hohen Preis, ist aber sicherlich einen Euro teurer als ein ähnliches Produkt der Eigenmarke. Wer ernsthaft Nachschub braucht, dem ist das wohl egal.

Nicht so diesem Mann, der laut seiner eigenen Aussage unbedingt Toilettenpapier brauchte und dann mit dem Hinweis, dass er nur die günstigere Eigenmarke haben will, das von mir angebotene Produkt nicht genommen hat. Wir reden hier wohlgemerkt nicht von einer exorbitanten Preisdifferenz.

So viel also zur Dringlichkeit.

Nicht nur Hamsterkäufe

Wie viele Leute wirklich noch Hamsterkäufe tätigen, kann ich nicht sagen. In Gesprächen mit Kunden ist diesbezüglich auch immer wieder Thema, dass es sogar bei Frischwaren Lieferengpässe gibt. Aber warum? Die Sachen werden doch eigentlich gar nicht gebunkert.

Nun: Haltet euch vor Augen, dass momentan Schulen, Kindergärten und viele Firmen geschlossen, aufgrund ausfallender Veranstaltungen und gesperrter Freizeitaktivitäten die Leute allgemein mehr zu Hause sind und dann noch viele Arbeitnehmer dazukommen, die ihren Job jetzt in Heimarbeit erledigen. Das Konzept "Essen gehen" fällt auch mehr oder weniger aus.

Die hocken derzeit alle zwangsweise zu Hause und benutzen somit nicht mehr die woanders angebotenen Leistungen. Es gehen mehr Leute zu Hause auf Toilette und die Versorgung durch Kantinen und Schulküchen fällt weg. Das muss nun alles selber organisiert werden und der Bedarf wird logischerweise im Einzelhandel vor Ort gedeckt, wo auch schon in den ganzen Wochen die ganzen "Prepper" die Ware abgegrast haben. Dass da plötzlich die Mengen nicht mehr reichen und letztendlich die von den Herstellern gelieferte Ware in der Masse der Märkte regelrecht verdunstet, ist unter Betrachtung der genannten Umstände vermutlich allen klar.

Also: Egal was passiert, die Einkaufsmöglichkeiten bleiben erhalten. Selbst bei einer Ausgangssperre dürften ja noch Lebensmittel gekauft werden. Haltet die eigenen Vorräte klein und weicht vielleicht auch mal auf neue oder ungewöhnlichere Alternativen auf dem Teller aus, dann sollten wir das alles zusammen schaffen können.

Wucherpreise für Klopapier?

Bei Facebook macht ein Video die Runde, in dem sich jemand darüber aufregt, dass in einem REWE-Markt eine Packung Toilettenpapier 5,49 Euro kostet. Nicht mal ein Markenprodukt würde man für das Geld bekommen. Was für eine Abzocke mit der Not der Leute betrieben wird, lauten die Rufe.

Ich kenne die Beweggründe und den Einkaufspreis des dort angebotenen Papiers nicht, möchte die Situation aber nach der Suche der von mir gestern bestellten Palette Toilettenpapier mal aus meiner Sicht bewerten.

Die allgemeine Situation bei Toilettenpapier ist bekannt. Es gibt welches, aber die Mengen, die in den Handel kommen, verdunsten regelrecht. Auch viele Onlinehändler haben nichts mehr oder nur noch teurere Sorten. Die von mir gestern bestellte Ware werde ich knapp kalkuliert mit 3,99 Euro pro 8er-Pack verkaufen. Beim Einkaufspreis hatte ich noch etwas Glück aufgrund der Abnahmemenge.

Beim selben Händler gibt es auch teurere Papiere. Nur ein Beispiel: "Toilettenpapier, Tissue, 3-lagig, hochweiß", 31,47 Euro für neun 8er-Packs, also schon 3,50 Euro Netto-Einkaufspreis pro Paket. Mehrwertsteuer dazu und schon sind es 4,16 € – und daran ist noch kein Cent verdient. Um auf eine gescheite Handelsspanne zu kommen, rechne ich bei 19%-Artikeln immer ein Drittel dazu, also + 33%. Damit kommt man dann auf einen Verkaufspreis von 5,52 €, also sinnvollerweise 5,49 Euro. Für eine Packung Toilettenpapier einer unbekannten Marke. Man muss natürlich nicht dogmatisch auf der Kalkulation bestehen, aber auch die Einzelhändler haben ihre Kosten.

Vielleicht sind die beim REWE in Bonn einfach nur unendlich froh, überhaupt Toilettenpapier bekommen zu haben und anbieten zu können, wenn auch zu einem nicht ganz günstigen Preis. Dann hat das nichts mit "Abzocke" zu tun. Wenn das ein selbstständig betriebener Markt ist, hatte da vielleicht auch jemand zwei Stunden sich bemüht, irgendwo auf dem Markt noch Papier zu bekommen und wird nun als Dank dafür regelrecht zerrissen. Also: Erst denken, dann rauskotzen.

Sperrflächen-Reaktionen

Die meisten Kunden haben Verständnis. Sollten sie natürlich auch schon im eigenen Interesse haben. Wir machen das alles nicht, weil wir gerade das Frühjahrsloch füllen müssen und uns nicht anders zu beschäftigen wissen …

Ein paar Kunden machen sich darüber lustig.

Eine Kundin war so erbost darüber, dass sie ein paar Schritte weitergehen sollte, dass sie vorhin einer Kollegin als Reaktion auf diese Bitte direkt Corona an den Hals gewünscht hat.

Apropos Mengenbegrenzungen

Ich hatte gestern zwar was anderes geschrieben, aber die Dinge ändern sich momentan sehr schnell. Dogmatisch wollen wir dabei aber dennoch nicht sein und so hoffen wir auf den gesunden Menschenverstand.

(Anweisung an die Kasse: Mehr als zwei Pakete verweigern.)


Mengenbegrenzungen?

In einigen Läden gab es in den letzten Tagen, bzw. gibt es nach wie vor Mengenbegrenzungen für die Einkäufe. Pro Kunde nur 1x Toilettenpapier, 2x Mehl, 2x Nudeln, 1x Brot etc. Auch wir haben kurzzeitig darüber nachgedacht, den Gedanken dann aber wieder verworfen. Was sicherlich keine monetären Gründe hat. Ob wir zehn Pakete Mehl an fünf oder nur einen Kunden verkauft haben, ist am Tagesende vollkommen egal.

Ja, es gibt Leute, die momentan Vorräte anlegen, auch wenn der Nutzen davon fraglich ist. Es gibt aber ebenfalls Leute, die andere zum Einkaufen schicken (ältere, die zum Beispiel aus Infektionsschutzgründen zu Hause bleiben), welche dann notwendigerweise größere Mengen kaufen wollen. Dazu kommt, dass bei größeren Familien oder WGs die Mengenbegrenzung im Grunde regelmäßig schon beim normalen Einkauf überschritten wird. Wer das System dann unbedingt aushebeln will, kommt eben mehrmals täglich, was wiederum die Ansteckungsgefahr vergrößert.

Es gibt genügend Videos, in denen Menschen verbal wie körperlich aufeinander losgegangen sind, weil sie ihre Waren nicht in der gewünschten Menge kaufen durften. Ist es da nicht sinnvoller, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen? Wenn leer, dann leer, Nachschub ist schon wieder auf dem Weg. Es ist ja nicht so, dass es nie wieder etwas gibt. Die (auch bei mir hier im Blog gezeigten) leeren Regale sind ja immer nur eine Momentaufnahme in dem einen Geschäft.

Auf jeden Fall ist es für uns Händler einfacher, diskussionslos auf ein leeres Regal und bestellten Nachschub zu verweisen, als uns mehrfach täglich an der Kasse auf Diskussionen bezüglich der Mengen einlassen zu müssen.

Seit heute scheint sich die Lage bei uns hier sowieso wieder etwas zu entspannen. Das darf meinetwegen gerne so weitergehen, wenngleich eine klingelnde Kasse natürlich auch sehr schön ist. Der Trubel der letzten Tage war aber für alle hier in der Firma schon sehr anstrengend.

Ansage Corona

Andreas Brenner hat diese kleine Durchsage gebastelt, die hier bei uns im Markt aus technischen Gründen nicht laufen wird, da es mir gerade noch an einer passenden Schnittstelle in der Musikanlage fehlt, aber falls sich von euch jemand (vor allem wohl mitlesende Einzelhändler) dazu motiviert fühlt, den Clip zu verwenden, darf dies gerne kostenfrei getan werden.

Das war dann Andreas' gute Tat des Tages. :-)

Ansage_Corona.mp3


Keine Sonntagsöffnung

Der aktuelle Stand hier in Bremen: Geöffnet sind Lebensmittelgeschäfte, Tankstellen, Baumärkte und andere Einrichtungen für die tägliche Versorgung der Menschen. Es wird überlegt, diesen sogar die Sonntagsöffnung zu erlauben.

Ein letztes Wort ist da offenbar noch nicht gesprochen worden, aber wenn die Sonntagsöffnung freigegeben wird, sich daran der Rest des klassischen Lebensmitteleinzelhandels jedoch nicht beteiligt, wird auch meine Tür hier zu bleiben. Es gibt aus meiner Sicht auch einfach keinen Grund für einen Tag mehr in der Woche.

Wenn Penny und REWE, meine unmittelbaren Mitbewerber, jedoch öffnen würden, käme ich hier schon in Bedrängnis. Ich würde den Wettbewerbsnachteil ungerne einstecken müssen, aber mindestens genauso wenig den freien Sonntag opfern wollen.

Längere Schlangen durch mehr Abstand

Es standen ja schon Überlegungen im Raum, Zugangsbeschränkungen zu Einzelhandelsgeschäften zu erlassen, bzw. die Läden dazu zu zwingen, Maßnahmen zur Einhaltung eines "Sicherheitsabstandes" zwischen den Kunden durchzuführen.

Augenscheinlich scheint das aber der gesunde Menschenverstand auch von alleine hinzubekommen. Unsere Kassenschlangen sind neuerdings länger, was aber nur daran liegt, dass die Kunden tatsächlich einen größeren Abstand zueinander einhalten. Vorhin zum Beispiel sah es (gemessen am Ende der Warteschlange) nach einer Zweite-Kasse-Situation aus, dabei standen da nur ein paar Leute mit jeweils wenigen Teilen in der Hand.

Super! Bin Stolz auf unsere Kunden. :-)

Gedanken zur aktuellen Situation

An der Kasse hat ein Kollege einen Stammkunden gefragt, warum er Produkt xyz nun gleich sechs Mal gekauft hat. Antwort: "Die kaufen alle wie verrückt, wer weiß, ob ich davon noch was bekomme, wenn ich es brauche."

Das wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung. So denken alle / viele und dadurch entstehen genau diese Lücken, vor denen sich die Leute so fürchten.


Später habe ich mit einem anderen Stammkunden über die momentane Lage und den irren Andrang auf die (Lebensmittel-) Geschäfte geredet. Auch hier ist unglaublich viel los, die Regale sind zu großen Teilen leer und wir kommen mit dem Nachschub nicht hinterher. Die Situation hinterlässt bei mir als Einzelhändler sehr gemischte Gefühle.

Einerseits ist es unglaublich genial, diesen Trubel hier im Laden zu haben. Die Kasse klingelt und dass hier überhaupt so ein Potential in der Fläche steckt, macht einen schon glücklich. Der monetäre Ansatz ist klasse und das hat ja auch noch weitreichendere Folgen: Wir brauchen mehr Personal, ein paar mehr Leute haben dadurch also schon einen neuen Job.

Andererseits ist es irgendwie komisch. Siehe oben die selbsterfüllende Prophezeiung. Muss das sein, dass man sich mit Vorräten eindeckt, als gäbe es kein Morgen mehr? Muss man sich um Grundnahrungsmittel prügeln? Es ist ja nicht so, dass es nichts mehr gibt. Es wird momentan durch das Verhalten der Leute nur sehr sonderbar verteilt.

Rückdatierte Facebook-Beiträge

Inzwischen wurde mir mehrfach über WhatsApp der Link zu einem Facebook-Beitrag von "2016" geschickt, in dem die Rede davon ist, dass ein neuartiger Virus entwickelt wird, der im Jahr 2020 die Menschheit dezimieren und das gesamte Leben weltweit beeinflussen wird. Beschrieben wird alles, was gerade passiert, so dass die scheinbare Wahrheit dieser Meldung nicht angezweifelt wird.

Wenn ihr den Text / Link bekommt: Ab in den Orkus damit. Man kann bei Facebook Beiträge zu jedem beliebigen Datum in die Timeline verschieben, aber es bleibt der Hinweis auf das Ursprungsdatum der Nachricht erhalten, die kleine Uhr neben dem Datum zeigt dies an. In diesem Fall war es der 14. März 2020 / 23:42 Uhr, so viel zu Glaubwürdigkeit der angeblichen Vorhersage, die aber wohl schon millionenmal geteilt wurde. (Mourad Yaseen hat 9,5 Millionen Abonnenten)