Stell dir vor, du bedienst einen Kunden. Der Mann hält seinen roten Korb vor seinen Bauch und während du ihm dabei hilfst, ihm ein paar Teile aus den Regalen zu nehmen und in seinem Korb zu sortieren, platscht dir aus seiner Nase ein dicker Schnottentropfen auf die Hand.
Naja, so erging's mir eben jedenfalls.
Mal wieder ein Kunde, der weiß, was er will: Gleich zwei gut gefüllte rote Einkaufskörbe wuchtete der Kunde durch den Laden. Als ich das entdeckte und ihm anbieten wollte, doch lieber einen Einkaufswagen zu verwenden, bedankte er sich nur mit den Worten, dass er sowieso gleich zur Kasse gehen wollte, da seine Arme bereits lahm werden würden.
Nichts Böses ahnend saß ich in meinem Büro und arbeitete am Onlineshop, als plötzlich eine junge Frau hier hereinschneite. Die Tür stand offen und so betrat sie den Raum einfach. Ohne zu Klopfen oder sich verbal bemerkbar zu machen stand sie plötzlich vor meinem Schreibtisch und wedelte mit einem Kassenbon.
In dem Moment klingelte ihr Handy und während sie telefonierte und ich noch nicht wusste, was sie von mir wollte, hatte ich etwas Zeit, sie zu mustern. Sie war höchstens Mitte zwanzig, sah trotzdem irgendwie "verlebt" aus, hatte ein mit Akne-Narben übersähtes Gesicht und sprach eine mir unbekannte Sprache, die ich irgendwo in Osteuropa ansiedeln würde. Ich vermutete, dass sie in einem der nahegelegenen, "einschlägigen Etablissements mit wechselnder Belegschaft" beschäftigt ist, zumindest passte ihre Kleidung dazu.
In der Zwischenzeit reichte sie mir wortlos den Kassenbon. Aha, sie hatte eine Guthabenkarte für ihr Handy bezahlt und der Kollege von der Kasse hat sie dann zu mir ins Büro geschickt. Aber hier so reinzutigern... Dabei bin ich heute sowieso schon so schreckhaft.
Wirklich ein prickelndes Erlebnis, von einem der vor der Tür wartenden Kunden beim Aufschließen angeranzt zu werden, weil man ein paar Minuten nach null Uhr dran ist.
Hätte der noch ein Wort mehr gesagt, hätte ich ihn gar nicht erst reingelassen und zur Konkurrenz geschickt. Und die hätte er um diese Zeit lange suchen können.
Eine Kundin hatte eine Frage zu Bio-Frischmilch. "Frage" stimmt eigentlich nicht ganz, denn ursprunglüch hatte sie eine Reklamation. Die Milch würde anders schmecken als sonst und ob ich das irgendwie erklären könne.
Konnte ich spontan leider nicht. Gewusst hätte ich die Antwort zwar schon, aber darauf gekommen bin ich in dem Moment nicht – und so habe ich bei unserem Lieferanten angerufen. Die Erklärung war einfach wie logisch: Je größer eine Molkerei ist, desto mehr Bauern hat sie, von denen sie die Milch bezieht und desto weniger wirken sich Geschmacksunterschiede der einzelnen Milchlieferungen aus.
Der Geschmack der Milch ist von vielen Faktoren abhängig. Der wesentliche Faktor ist das Futter. Stehen die Kühe im Stall und fressen Silage, schmeckt die Milch anders, als wenn die Kühe im Frühjahr auf der Weide frisches Gras zu sich nehmen.
Viele Bio-Molkereien sind eher kleinere Betriebe. Und je kleiner eine Molkerei ist, desto weniger Zulieferbetriebe hat sie und desto regionaler sind diese meistens konzentriert. Da wirkt sich der Wechsel der Jahreszeiten (und damit der Viehhaltung) natürlich sehr deutlich aus – und dann eben auch im Geschmack der Endprodukte.
Wer dann eher selten (z.B. nur alle paar Wochen) Milch trinkt und nicht den langsamen Wechsel durch die Jahreszeiten mitbekommt, kann also durchaus schonmal das Gefühl bekommen, dass die Milch "irgendwie anders" schmeckt.
Die Kundin hat sich übrigens sehr über die Beratung und den Service, dafür extra einen Lieferanten anzurufen und sich die Informationen "aus erster Hand" zu holen, gefreut. So soll es ja auch sein.
Der Mann hatte zwar viel Leergut, aber ob's ein "professioneller Flaschensammler" war, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall hatte ich ihn bis heute noch nie hier in meinem Laden gesehen.
Erstaunlich war nicht die Menge Leergut. Und auch nicht, dass er ein paar volle Flaschen, die der Automat nicht annehmen wollte, vor eben jenem stehengelassen hat. Nein, erstaunlich war, dass er das alles inklusive der leeren Tüten in eine ebenfalls mitgebrachte (funktionsfähige) Klappbox legte und diese so komplett "zur Entsorgung" freigab. Hmm...
Heute Morgen haben wir, wie nach Feiertagen üblich, nicht schon um Mitternacht, sondern erst um 6 Uhr geöffnet. Die Eingangstür stand zwar offen, ein Lieferant brachte gerade Ware und der Großteil der Ladenbeleuchtung war noch dunkel. Aus technischen Gründen konnten wir heute nunmal nicht ganz pünktlich anfangen, allerdings handelte es sich bei der Verzögerung nur um einige Minuten.
Eine Frau wollte plötzlich in den Laden, wurde aber von meinem Lieferanten darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich noch einen Moment gedulden müsse.
Den Hinweis ignorierte sie jedoch gepflegt, und bewegte sich langsam, Zentimeter für Zentimeter, immer weiter in den Laden. Nachdem sie die Schranke passiert hatte, ging sie einfach rein.
"So nicht.", dachten wir uns und schalteten spontan die Ladenbeleuchtung wieder aus. Davon zeigte sich die Frau alledings wenig beeindruckt und ging weiter durch die dunklen Gänge. Plötzlich entdeckte sie eine meiner Mitarbeiterinnen und begann sofort, sie anzumachen: Wir müssten um 6 Uhr die Kunden reinlassen, wenn das da steht und wir können uns nicht weigern, ihr etwas zu verkaufen etc.
Das mit den technischen Schwierigkeiten an der Kasse hatte sie offenbar nicht verstanden und so stampfte sie vor sich hin fluchend wieder davon.
Bei manchen Leuten fragt man sich, warum sie überhaupt ein Handy benutzen. So laut, wie er das kleine Gerät angebrüllt hat, hätte es sein Gesprächspartner vermutlich auch ohne bestehende Verbindung gehört.
Zumindest wissen jetzt alle anwesenden Kunden, dass er sich einen schwarzen Eiertopf mit 16GB Speicher kaufen möchte.
Eine Kundin, die sich von uns mit Ware beliefern lässt, rief eben an und wollte sich nach dem Stand der Dinge erkundigen. Warum nennt sich selber jemand in der dritten Person?
"SPAR-Markt Harste, guten Tag."
"Schönen guten Tag, Frau Meiermüllerschulz wartet auf ihre Ware. Da wollte heute Ihr Bote noch kommen..."
Ich konnte gerade mal wieder ein ganz besonders Phänomen hier im Laden beobachten. Besonders deshalb, da es wirklich nicht häufig in der Form passiert: Ein Kunde kam rein, nahm sich einen Einkaufswagen und ging zielstrebig durch die Gänge. Zwanzig Tüten Chips, zehn Dosen Erdnüsse, zwei Kisten Cola, mehrere Eimer fertigen Kartoffelsalat, den kompletten Regalbestand einer bestimmten Bockwurstsorte, vier Pakete Kaffee und noch ein paar Kleinigkeiten. Innerhalb von 5 Minuten war der Einkaufswagen bis über den Rand gefüllt, keine drei Minuten später war der Kunde wieder verschwunden.
Sowas finde ich herrlich. Gar nicht, weil man so schnell viel Geld in der Kasse hat (okay, das ist ein angenehmer Nebeneffekt), sondern weil's wirklich einfach nur cool ist.
Ich liebe es, wenn Leute wissen, was sie wollen.
"DA IST EINE SCHLANGE BIS ZUM GEHTNICHTMEHR!!! KANN MAN DA MAL EINE WEITERE KASSE AUFMACHEN??? HALLO? DAS IST JA EINE FRECHHEIT!!!", brüllte ein Mann durch die Lagertür und stampfte wieder nach vorne.
Mein Mitarbeiter war zwar schon auf dem Weg, da es sich an der Kasse tatsächlich etwas staute, aber dennoch ging ich in den Laden, um nachzusehen, ob wir uns in der Schlangenlänge denn so sehr getäuscht hätten. Hatten wir nicht, die war zwar lang aber zur Not noch "grenzwertig". Ich weiß, dass in den meisten Läden in dieser Situation noch kein Mitarbeiter eine weitere Kasse geöffnet hätte.
Als der Mann mich sah, brüllte er wieder durch den ganzen Laden. Ich weiß ja, dass meine Antwort nicht nett war: "Wenn Sie noch mehr brüllen, kommt gar keine zweite Kasse." Man muss sich ja schließlich nicht alles gefallen lassen. Jedenfalls nicht von einem Typen, den ich noch nie zuvor gesehen habe und der sich hier aufführt wie King Kong im Käfig.
Die zweite Kasse öffnete natürlich prompt und an Zeitersparnis gebracht hat es ihm – na, wer errät's? – absolut gar nichts.
Eine Kunde fragte mich gerade eben nach einem bestimmten Artikel, der gerade ausverkauft, allerdings auch schon wieder nachbestellt ist.
"Der müsste mor..." – ich stutzte. "Äh, also heute. Nachher... wieder geliefert werden." Ich kam mir vor wie ein Sprachverwirrter. Aber irgendwie wusste ich zuerst auch nicht so recht, was ich sagen sollte.
Das sind also die kleinen Tücken der Non-Stop-Öffnung.
So unterschiedlich sind sie, die Leute. Angenommen, es kommen zwei Kunden nacheinander an die Lagertür und jeder von ihnen hält eine Karte mit vier Coupons für "gelbe Säcke" in der Hand.
Kunde 1 möchte nur ausdrücklich nur eine Rolle haben. "Können Sie den einen Coupon ausschneiden?" Auf die Frage, ob er nicht alle vier mitnehmen möchte, erfährt man, dass er sich die lieber einteilt und einen nach dem anderen haben will.
Kunde 2: Vorgewarnt fragt man vorsichtg, wieviele Rollen er denn gerne hätte. In dem Fall lautet die Antwort natürlich "Alle vier, ich will schließlich nicht mehrmals laufen müssen."
Seit Jahren schon sammeln wir hier im Laden im Rahmen der Korkampagne des NABU gebrauchte Korken.
Immer mehr Winzer gehen dazu über, Stopfen aus Kunststoffmaterial in die Flaschen zu stecken. Hoffentlich stören die nicht allzu sehr, wenn sie zwischen den echten Korken liegen. Auf den ersten Blick sehen die Dinger aber auch zu echt aus: