Morgens um zwanzig nach Sechs erstmal einen Liter Wein aus dem Tetrapak. Für einen belebenden Start in den Tag.
(Nein, nicht für mich.
Ich gehe jetzt schlafen.)
Anruf eines Kunden, der seine Handschuhe an der Kasse vergessen hatte und darum bat, dass diese sicher verwahrt werden. "
Klar, kein Problem." sagte ich. "
Ich bringe die ins Büro, da kommen sie nicht weg."
"
Danke. Ich hole sie dann morgen Nachmittag raus."
"
Morgen? Oder heute? Also Dienstag oder Montag?"
"
Äh... Ach, ja, heute. Wir haben ja schon Montag."
Ja, das ist der Preis für Nachtschichten: Man kommt mitunter sehr mit den Wochentagen und vor allem den Begriffen "heute" und "morgen" durcheinander. Die Thematik habe ich ja hier schon häufiger angesprochen.
Ein Kunde kaufte einen "Flachmann", eine kleine Flasche Korn, und steckte sie noch während des Bezahlvorgangs in seine innere Jackentasche.
Nachdem alles erledigt war, drehte er sich um und machte Anstalten, zu gehen – und stand nach einigen Sekunden wieder an der Kasse. Die Kundin hinter ihm hätte die Flasche eingesteckt, behauptete er. Damit ging er wieder zum Regal mit den kleinen Flaschen, nahm sich wie selbstverständlich eine neue und wollte mit dieser gehen. Immerhin würde sie ihm zustehen und dass eine andere Kundin "seine" Flasche eingesteckt hätte, könne ja nicht sein Problem.
Nach kurzer, heftiger Diskussion fand sich dann die erste Flasche doch wieder bei ihm an. Und wir fragen uns? Betrugsversuch oder völlig verpeilt..?
Diese oder ähnliche Situationen finden immer wieder statt: Einer meiner Mitarbeiter kommt zu mir ins Büro und teilt mir mit, dass mich ein Kunde oder eine Kundin sprechen möchte. Meine normale Reaktion: Ich bitte darum, zu fragen, um was es denn gehen würde.
Wenn ich die Antwort bekomme, gibt es normalerweise drei Möglichkeiten: Entweder kann ich meinem Mitabeiter sagen, wie er dem Kunden helfen kann oder ich kümmere ich selber darum, was z.B. bei schwereren Reklamationen der Fall sein kann.
Die dritte Option besteht darin, dass der Kunde ausdrücklich nur mir persönlich sagen möchte, was er will. Auch auf erneute Nachfrage bleibt es dabei.
Macht aber normalerweise nichts, wenn ich in solchen Situationen stur im Büro bleibe. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Kunden, die mich ausdrücklich persönlich sprechen wollen und sich weigern, das Anliegen einem meiner Mitarbeiter zu schildern, lediglich auf Kredit kaufen wollen. Und den gibt es hier sowieso nicht.
Im Mülleimer vor dem Leergutautomaten lag ein Bilderrahmen. Um ihn darin zu entdecken, bedurfte es keiner tiefgründigeren –ähm– "Forschungsarbeit", denn das Foto lag ziemlich weit oben.
In dem kleinen Rahmen steckt ein schwarzweißes Foto einer recht hübschen Frau, die ich spontan zwar nicht für eine Kundin, aber doch tatsächlich für eine Ex von mir selber gehalten habe. Bei näherer Betrachtung war sie es dann aber doch nicht.
Da muss aber jemand sehr böse oder enttäuscht gewesen sein. Die Kleine ist echt niedlich.
Apropos Ex: G.U., liest du hier zufällig noch hin und wieder mit?
Eine Kundin hatte am Freitag Abend ihre ec-Karte hier an der Kasse vergessen. Im Telefonbuch haben wir sie nicht gefunden, ihre Bank hatte schon Feierabend und die Hotline zum Karten sperren wäre der falsche Ansprechpartner gewesen. So konnten wir erstmal nur abwarten, heute hätte ich bei ihrer Bank angerufen und darum gebeten, dass diese unsere gemeinsame Kundin kontaktiert.
So weit kam es nicht mehr. Die Frau hat eben nachgefragt, ob hier eine ec-Karte gefunden worden sei. Wurde, ja.
Die Freude war so groß, dass ich glaube, dass mindestens die ganze Woche gerettet ist.
"
Guck mal, was ich tolles gebaut habe!", forderte mich ein sechs- oder siebenjähriger Junge auf und hielt mir ein buntes Dingsbums aus Legosteinen vor die Nase.
"
Aha. Und was soll das sein?"
"
Das ist ein... Keine Ahnung, wie das heißt."
Ahhhhja.
(Aber immerhin: Es gibt doch tatsächlich noch Kinder, die mit "richtigen" Legosteinen spielen, also zum Beispiel mit Achter- und Viererblöcken in Quader- oder Stäbchenform. Ich dachte, der Trend ginge immer mehr in Richtung "Spezialteile", die man im Grunde nur für das jeweilige Objekt verwenden kann und die kaum anderweitig zu gebrauchen sind.)
Eine Kundin hat uns ganz besorgt angesprochen:
Stimmt es, dass Sie den Laden dichtmachen werden?
Was? Wie?
Ja, ich habe gehört, dass der Laden hier ganz geschlossen werden soll.
Also WENN, dann würden wir höchstens die Öffnungszeiten wieder zurückdrehen. Das wäre die einzige Einschränkung – aber selbst das ist nichtmal annähernd geplant.
Dann ist gut. Ich war schon total beunruhigt.
Nein, keine Sorge...
Wie kommen
solche Gerüchte zustande?!?
Ein Mann, der vermutlich nicht viel bis gar kein Deutsch sprach, wollte offenbar eine Guthabenkarte für sein Handy kaufen. "Voucher..?" erkundigte er sich, hielt mir 15 Euro vor die Nase und eine Hand als "Telefonhörer" an den Kopf.
Hat aber alles nicht geholfen, denn er konnte mir beim besten Willen nicht mitteilen, für welches Netz oder Anbieter er das Guthaben benötigt...
Ein Pärchen wollte Leergut abgeben. Eine Flasche fiel ihnen zu Boden und zerlegte sich erwartungsgemäß in ein unterhaltsames Puzzle für die langen Winterabende.
Während
er schonmal anfing, die Überlebenden des Unglücks in den Leergutautomaten zu stecken, guckte
sie ins Lager und sah sich scheinbar hilfesuchend um.
Als sie sich zu mir drehte, fragte ich, ob sie einen Besen brauchen würde. Ihre Antwort:
"Ja, sollen wir das jetzt wegmachen?"
Neinein, braucht ihr nicht. Ich drücke unserem dressierten Affen gleich den Besen und eine Banane in die Hand und dann erledigt der das.
Nein, kein Problem. Mache ich gleich eben weg.
Sie haben's dann aber doch selber weggeräumt.
Muffins [ˈmʌfɪn] kennt jeder. Dass jemand hierzulande die Dinger so ausspricht, wie sie geschrieben werden, also
[mu:ffins], habe ich auch schon erlebt. Sogar "Muffis", also
[mu:ffis] habe ich schon gehört.
Ganz neu:
[mufœ͂] – die Alternative zum Croissant.
Drei Heranwachsende kamen herein. Mitten im Laden begonnen sie plötzlich, auf eine komische Art und Weise herumzubalgen. Plötzlich wurde einer der drei von einem seiner Begleiter recht rüde festgehalten und mit auf dem Rücken fixierten Armen nach hinten Richtung Leergutautomat gezerrt. Dort klopften sie wie irre gegen die geschlossene Lagertür.
Ich hatte die ganze Szene schon aus einiger Entfernung beobachtet und kam in dem Moment dazu. "
Alles okay?", erkundigte ich mich. "
Hier!", sprach derjenige, der sich am Ringelpietz nicht beteiligt hatte. "
Der hat geklaut. Das ist ein Ladendieb. Den müssen Sie anzeigen."
[Häh?!? Die sind doch gerade erst reingekommen...]
Noch bevor ich etwas sagen konnte, fingen alle drei an zu lachen, gingen in den Laden und suchten sich einige Waren zusammen, die sie schließlich auch bezahlten. Nicht, ohne sich währenddessen nochmal mit Drohgebärden und einer erneuten Rangelei gegenseitig einzuschüchtern. Was davon nun Ernst oder Spaß war oder welche lustigen bunten Pillchen sich das Trio zuvor eingeworfen hatte, kann ich leider nicht sagen.
Aber: Würden wir das überhaupt wissen wollen?
Pointe vorweg: Irgendwie ist es ja gar nicht so gemein, wenn ein paar Leute zusammenlegen und ihrem gemeinsamen Freund zum Geburtstag rund 100 Euro schenken. Andererseits schon, denn die "rund 100 Euro" haben sie ihm in Form von zwei 100DM-Scheinen übergeben. Und mit der Auflage, von diesem Geld nun alle Zutaten für seine Geburtstagsfeier zu besorgen. "Irgendwo hier in der Neustadt." hatten sie ihm gesagt – aber nicht, wo genau er das Geld loswerden kann.
So irrte er denn von Geschäft zu Geschäft und landete schließlich bei mir hier und füllte erleichtert seinen Einkaufswagen mit Getränken und allen anderen benötigten Dingen.
Ich glaube, bald stelle ich hier nur noch Schüler und Studenten ein, die deutlich jünger sind als ich. Schon wieder hat einer meiner Kunden mir die Arbeitsweise meine Mitarbeiter auf die Art und Weise verraten, dass er sagte, dass "Ihr Chef das auch so und so macht".
Ich habe keinen Chef.
Dochdoch, diesen großen, grauhaarigen Mann.
Grr.
Eine Kundin hatte ein Problem mit dem Leergutautomaten. Ich hatte das "
Pieppiep!" schon im Büro gehört und vorsichtshalber auf den Monitor der Überwachungsanlage geguckt.
Sie schaute kurz ins Lager, stellte sich wieder neben den Automaten und guckte vertäumt in die Gegend. Okay, da braucht jemand Hilfe. Ich packte meine Sachen zusammen und ging zur Leergutannahme.
Na, zickt der Automat herum?
Ja, der will hier eine Flasche nicht.
Kein Problem, die kann ich auch so annehmen. Aber da hätten Sie lange stehen können, wenn ich das nicht zufällig mitbekommen hätte.
Ich habe Sie ja gesehen...
Ich antwortete darauf nichts, stellte der Kundin ihren Leergutbon aus und verabschiedete Sie freundlich.
Wenn ich sie nochmal hier im Laden wiedersehe, werde ich aufpassen, was ich in dem Moment gerade mache. Wer weiß, was ihrem Röntgenblick noch alles nicht entgehen wird.