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Klaudius Beutelbüx

Wir haben einen "Stammladendieb", bei dessen Namen inzwischen alle bei uns die Augen verdrehen. Hier kann ich ihn natürlich nicht nennen, da der Name zu exotisch ist. Hieße er Schmidt, könnte ich vermutlich sogar seinen echten Namen hier nennen, denn bei hunderttausenden Schmidts hier im Lande, würde es einfach keinen interessieren. Heißt er aber nicht, sein Name ist so exotisch, dass man ihn vermutlich sofort identifizieren könnte. Also nenne ich ihn ab sofort Klaudius Beutelbüx. Ähnlichkeiten mit existierenden Personen sind reinzufällig und nicht beabsichtigt.

Klaudius Beutelbüx ist ein Quälgeist. Seit Jahren schon kommt er immer wieder zu uns in den Markt und klaut bevorzugt große Mengen Schokolade und Süßwaren, aber auch Alkohol und andere Dinge, die sich gut in den Hehlerstuben umsetzen lassen, nimmt er taschenweise mit. Das ist das Gefährliche bei solchen Leuten: Die klauen nicht "mal ein paar Teile", sondern gezielt große Werte auf einmal. Wenn man es mit vielen von dieser Sorte zu tun hat, kann das einen Laden schon in wirtschaftliche Bedrängnis bringen. Wir sind ja aufmerksam und arbeiten tagaus, tagein daran, solchen Leuten das Leben schwer zu machen.

Klaudius Beutelbüx hat bei uns natürlich längst Hausverbot. Dieses wurde bereits mit lebenslanger Wirksamkeit ausgesprochen, als er vor ein paar Jahren die erste Anzeige von uns bekommen hatte. Interessiert ihn nur kein Stück. Immer wieder mal kommt er zu uns und ab und zu schafft er es auch erfolgreich, bei uns zu stehlen. Wir kommen bei den erfolgreichen Diebstählen oft erst hinterher darauf, weil einem die plötzlichen Lücken in den Regalen auffallen. In der Videoaufzeichnung erkennen wir ihn dann und dann gibt es die nächste Anzeige auf den Stapel. Interessiert ihn nur kein Stück. Der beschafft sich auf diese Weise Geld für Drogen und wenn der Entzug drückt, gibt es keine Abwägung oder Toleranz mehr.

Selbst der Polizei kann man keinen Vorwurf machen. Die nehmen die Anzeigen auf, aber wenn es keinen Haftgrund gibt, müssen sie den Täter wieder laufen lassen. Manche haben hunderte offene Fälle, aber solange Staatsanwaltschaft und Gerichte nichts unternehmen, laufen sie eben weiter herum und besorgen sich das Geld eben so, wie sie es tun …

Verwirrte Frau und Polizei als Taxiunternehmen

Ines und mir fiel eine Frau im Laden auf, die sich sehr sonderbar verhielt und parallel dazu mit einem recht auffälligen Äußeren die Aufmerksamkeit mehrerer Kollegen auf sich zog.

Sie trug eine grüne Einmal-Hose mit Gummizug, wie man sie aus dem Krankenhaus kennt, hatte ein Pappschild am Band um den Hals, das wie ein Brustbeutel vor ihrem Bauch baumelte und roch extrem nach, nun, ich erspare euch die Details, jedenfalls roch sie nach menschlichem Ermessen nicht gut.

Während wir bereits hinten im Büro an der Videoüberwachung klebten, kam eine andere Kollegin ins Büro gestürmt: "Da ist so eine ganz komische Olle im Laden… Guckt ihr schon?" Klar guckten wir.

Die Frau ging hin und her, ohne das irgendeine Kaufabsicht erkennbar gewesen wäre. Zwischendurch kratzte sie sich noch mit der Hand in der Hose an verschiedenen Körperstellen, die eben für gewöhnlich vom oberen Ende einer Hose verdeckt werden, und ging schließlich zur Kasse. Dort kaufte sie nichts, hielt aber meinem Mitarbeiter das Pappschild vor die Nase. Darauf stand ihr Name und eine Adresse mit Telefonnummer und der Hinweis, dass man doch bitte in der Einrichtung für betreutes Wohnen anrufen soll, damit sie wieder eingesammelt werden könne.

Kurzerhand wählte mein Mitarbeiter die angegebene Telefonnummer und erreichte auch jemanden, bekam jedoch die Auskunft, dass wir bitte die Polizei informieren sollen. Diese sollte sich dann um die offenbar verwirrte Frau kümmern. Okay, machen wir.

Da dieser Anruf die Arbeit an der Kasse zu lange aufgehalten hätte, übernahm ich den Job. Nachdem ich nach insgesamt rund einer Viertelstunde in der Warteschleife vom Zentralruf der Polizei Bremen hing und endlich jemanden an der Strippe hatte, ging alles ganz schnell. "Wir haben hier eine offenbar orientierungslose Person aus einer Einrichtung für betreutes Wohnen. Uns wurde gesagt, dass Sie sich bitte darum kümmern sollen", erklärte ich. "Alles klar, gebe ich weiter", bekam ich als Antwort und das Gespräch war nach einer Minute beendet.

Ein paar Minuten später rief mich die Mitarbeiterin der Polizei zurück und erklärte mir, das die Frau bei denen schon ziemlich gut bekannt ist und dass ihre Betreuer es wohl immer wieder versuchen, die Polizei als kostenlosen Fahrdienst einzuspannen. "Die darf sich ganz offiziell alleine draußen auf der Straße bewegen. Wenn die Frau ansprechbar ist, sagen Sie ihr bitte, dass sie nicht abgeholt wird und direkt nach Hause gehen soll."

Es dauerte ein paar Augenblicke länger als gewöhnlich, bis meine Worte bei der Frau ankamen, aber sie nickte, stand auf und marschierte los.

Erstaunlich, was man hier immer so erlebt …