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Die eingesteckte Flasche

Aus dem Augenwinkel hatte ich auf dem Monitor der Videoüberwachung eine "komische Geste" gesehen. Ein Mann in den Dreißigern hatte sich zunächst in eine Ecke hinter einem der Stützpfeiler gedrängt und dann beim Umdrehen und Weitergehen irgendwie seine Jacke gerichtet. Für mich mit meinem Erfahrungsschatz sah das verdächtig danach aus, als hätte er etwas eingesteckt.

Das alles war kurz vor der Kasse passiert, wenn ich reagieren wollte, musste es schnell gehen. Ich spulte die Aufzeichnung zurück und sah mir die letzten Sekunden noch einmal an. Es war zu erkennen, dass der Mann irgendwie eine dunkle Flasche in der Hand hielt, die jedoch nicht nach Alkohol aussah. Verdammt, was ist das nur?
Inzwischen war er an der Kasse angekommen und packte aus seinem Rucksack zwei große Flaschen Bier auf das Transportband. Okay, dann war wohl doch alles in Ordnung. Nur mal wieder einer von diesen Rucksack-Einkäufern.

Während der Typ bezahlte und den Laden verließ, sah ich mir das Video noch ein paar mal an. Je länger ich auf den Bildschirm glotzte, desto sicherer war ich mir, dass das nicht eine der Bierflaschen war, die ich da anfangs gesehen hatte. Aber was dann? In der Getränkeabteilung hatte er tatsächlich nur die beiden Flaschen Haake-Beck aus einer der Kisten genommen und in den Rucksack gesteckt. In den Gängen mit Wein und den Spirituosen war er gar erst, das kann es also auch nicht gewesen sein. Es wurde immer seltsamer, zumal ich mir ganz sicher war, dass der Mann mich gerade beklaut hat.

Ich sah mir schließlich seinen kompletten Weg hier durch den Laden an. Zwischendurch ging er auch in den Gang mit Ketchup, Essig und Öl – und da offenbarte sich schließlich auch, was er eingesteckt hatte: Eine Flasche Bertolli-Olivenöl für acht Euro. Möge er die Flasche zerbrechen, auf der Schmiere ausrutschen und sich weh tun.

So schnell wird man Ex-Stammkunde

Er kam mehrmals täglich, der etwas heruntergerockte Flaschensammler, der irgendwie ganz weit am unteren Ende der Gesellschaft existiert. Wir haben ihn bislang immer trotz seines Zustands für anständig erachtet.

Nun stand er gerade mal wieder vor dem Leergutautomaten und stopfte seine gesammelten Werke in das Gerät. Ich stand gerade ein paar Meter entfernt im Lager vor einem anderen Gerät und habe ein paar Kopien angefertigt. Dabei fiel mir in der Hand des Mannes eine Packung nicht kühlpflichtige Dauerwurst auf. Er ging von dem Automaten hin und her und verschwand plötzlich für zwei Sekunden aus meinem Sichtfeld, anschließend hielt er die Packung nicht mehr in der Hand.

Ich hatte das alles mehr oder weniger aus dem Augenwinkel gesehen und war mir auch schon im nächsten Augenblick nicht mehr hundertprozentig sicher, ob ich das richtig gesehen und interpretiert hatte oder ob da alles mit rechten Dingen abgelaufen war. Ich ließ den Kopierer alleine, hüpfte die zwei Treppenstufen ins Kassenbüro und und spulte die Videoaufzeichnung zurück, um mir die letzte Minute vor dem Leergutautomaten noch einmal genauer anzusehen.
Während ich die Kopien anfertigte, war Ines in meinem Büro geblieben und hatte wohl ebenfalls dort die Livebilder aus der Videoanlage beobachtet.
Nur einen kleinen Moment später kam sie nach vorne gestürmt und rief mir schon quer durchs Lager zu: "Was hat der da gerade eingesteckt?!" Okay, ich hatte mich nicht getäuscht. Wenn zwei erfahrene Personen aus zwei verschiedenen Blickwinkeln den selben Sachverhalt beobachten, dann war es wohl auch so. Der Blick in die Videoaufzeichnung bestätigte unsere Beobachtungen. Später ließ sich auch anhand der Videobilder genau nachvollziehen, welchen Artikel der Mann aus dem Regal genommen und vor dem Leergutautomaten in seiner Jackentasche hat verschwinden lassen.

Inzwischen hatte der Flaschensammler den Laden zwar bereits wieder verlassen und war von uns nur noch am Ende der Seitenstraße zu sehen, aber er kam mehrmals täglich und würde auch nun wiederkommen – immerhin wusste er ja nicht, dass wir wussten, dass er etwas eingesteckt hatte.

Am nächsten Abend hat die Spätschicht ihn erkannt und seine Personalien aufgenommen, Anzeige folgt. Schade irgendwie.

Das gestikulierte Kann-ich-Ihnen-helfen-Riff

Beim kurzen, eher zufälligen Blick auf den Bildschirm der Videoanlage sah ich, wie in genau dem Moment ein Mann seinen schnellen Gang stoppte und zwischen zwei Regalen stehenblieb. Dann hob er langsam seine beiden Arme, die seitlich am Körper herunter hingen, ein Stück in die Höhe, hielt sie dort eine Sekunde und ließ sie schwer wieder nach unten fallen.

Das war für mich ein eindeutiges Zeichen: Der Mann suchte etwas und konnte sich nicht vorstellen, dass wir es nicht haben. Nur wo? In seiner Geste spiegelte sich zweifelsfrei sein Erstaunen darüber wieder.

Umso erfreuter war er dann, als ich als Mitarbeiter des Ladens erkennbar zu ihm kam und ihn fragte, ob ich ihm bei seiner Suche helfen könne. :-)

(Wer ob des Titels auf dem Schlauch steht, klicke hier.)