Skip to content

Die sieben Fehler

Ein Sechzehnjähriger war mit einem Freund oder auch nur Bekannten hier im Markt, während die andere Hälfte ihrer Vierergruppe vor der Tür wartete. In der Getränkeabteilung steckte er sich überraschend souverän vier Dosen Cola in die Jackentaschen und wollte dann, ohne diese zu bezahlen, zusammen mit seinem Begleiter meinen Laden verlassen. (Fehler 1) Letzterer hatte zwar selber keine Ware eingesteckt, hatte den Diebstahl jedoch unmittelbar mitbekommen.

Dass die beiden dabei von mir beobachtet worden waren, wurde ihnen wohl spätestens in dem Moment klar, in dem ich mich ihnen vor dem Ausgang in den Weg stellte. Ein Kollege und ich begleiteten die beiden ins Lager, wo der Dieb zunächst seine Jackentaschen ausleeren durfte, was er auch ohne zu diskutieren und vollständig tat.

In unkomplizierten Fällen versuchen wir immer, Diebstähle ohne Zuhilfenahme der Polizei abzuwickeln. Bei Minderjährigen informieren wir normalerweise die Eltern, aber da man ja ab 16 Jahren einen Ausweis haben muss, lässt sich das Prozedere in dem Fall auch ohne die Erziehungsberechtigen abwickeln.

"Ich habe meinen Ausweis nicht dabei", gestand der Junge. Das war Fehler 2. Mir blieb also nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen. So ganz ungeschoren sollte er nicht davonkommen und manchmal reicht ja schon die Begegnung mit der Polizei als ausreichend unangenehme Erfahrung, um zukünftig nicht wieder zu stehlen. Der Teenager erzählte uns zwar, dass er noch nie vorher etwas geklaut hatte, aber das glaubte ihm niemand von uns. Das sah insgesamt so routiniert aus, niemals war das sein erster Diebstahl.

Während wir auf die Polizei warteten, hatte der junge Dieb eine Idee: "Reicht es auch, wenn ich mir ein Bild von meinem Ausweis auf mein Handy schicken lassen?" Ich bejahte und sagte dazu, dass wir dann auch auf die Polizei verzichten könnten. Er begann vergeblich, in seinen Taschen nach seinem Handy zu suchen. "Oh, das ist draußen bei den beiden anderen." Warum auch immer er sein eigenes Handy nicht am Mann hatte, aber das war Fehler 3.
Sein Kumpel, der zwar dabei war aber keine Ware in den Taschen stecken hatte, durfte rausgehen und das Telefon holen. Nach ein paar Augenblicken kam er wieder rein: "Die sind weggegangen …" Das war Fehler 4.

Der Begleiter wollte dann noch mal in Ruhe in der Umgebung gucken und kam nach mehreren Minuten mit einem iPhone in der Hand zurück. Endlich konnte der Jugendliche sich das Bild seines Personalausweises schicken lassen und wir könnten die Polizei abbestellen und die ganze Warterei beenden. Der fünfte Fehler kristallisierte sich sofort heraus, der Akku des Smartphones war nämlich leer. Die Frage "Rouge et noir?" beantwortete das Display eindeutig, es blieb nämlich schwarz. Das Gerät machte keinen Mucks mehr – rien ne va plus.

Inzwischen war die Polizei da, aber auch die Beamten konnten nicht hellsehen und den Jungen ohne Ausweis identifizieren. "Kannst du deine Eltern anrufen?", fragte ein Polizist, aber das konnte der Junge nicht, da er die Telefonnummer nicht kannte. Das war Fehler Nr. 6.

Ein Kollege lieh sich im längst wieder renovierten Handyladen nebenan ein Ladekabel mit Lightning-Stecker, um das iPhone laden können. Wir helfen ja mit, wo es nur geht. Im Gegensatz dazu ging das Handy jedoch nicht, vor allem nicht an, was allen Beteiligen kein Stück half. Selbst nach zehn Minuten am Ladegerät gab das Gerät noch kein Lebenszeichen von sich. Das war der siebte Fehler und führte dazu, dass der Junge mal im Streifenwagen auf der Rückbank mitfahren durfte.

Wie das ausgegangen ist, habe und werde ich leider nicht erfahren.

Rauchen

Minderjähriger Praktikant zu den sich gerade ausstempelnden Kolleginnen, als er eine Chance auf eine kleine Pause an der frischen Luft witterte: "Geht ihr eine Rauchen?"

Kollegin: "Genau. Wir gehen eine rauche. Du nicht."

Klare Abfuhr. :-)

Das Alter und der Wodka

Ein Stammkunde mittleren Alters wandte sich an mich und sprach mich in sehr ernstem Tonfall an. Er erklärte mir, dass sein Sohn, 16 Jahre alt, hier im Laden vor ein paar Tagen eine Flasche Wodka gekauft haben soll. Als Altersnachweis soll hier an der Kasse ein Schülerausweis ausgereicht haben, in dem sein Alter allerdings mit 18 Jahren angegeben sei. Der Mann wollte mir nichts Böses, schlug aber vor, doch zukünftig hier als Altersnachweis nur amtliche Dokumente wie zum Beispiel Personalausweise zu akzeptieren.

Ich tat nicht nur erstaunt, ich war es wirklich. Ich nahm den Kunden mit zu meinem Büro und zog eine beliebige Mappe aus meinem Schrank mit den Personalunterlagen und zeigte ihm den unterschriebenen Zettel direkt hinter den einst mal abgegebenen Bewerbungsunterlagen. Jeder hier an der Kasse hat meine "Anweisung zur Ausweiskontrolle an der Kasse" als "gelesen und verstanden" unterschrieben. Darin steht:
Kunden, die Alkohol, Tabakwaren und bestimmte Medienangebote kaufen wollen, müssen sich durch ihren Personalausweis oder Führerschein ausweisen können.

Andere Dokumente wie z.B. Schülerausweise, Studienbescheinigungen, Bankkarten etc. oder ein mitgebrachter Autoschlüssel sind ausdrücklich nicht dazu geeignet, das Alter eines Kunden sicher zu bestimmen und sind deshalb nicht zulässig.
Leider wollte mir der Kunde nicht sagen, wann genau oder bei welchem Mitarbeiter der Kauf stattgefunden haben soll. Ich hätte das gerne recherchiert und ggf. den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin noch einmal einmal ausdrücklich auf den Vorfall angesprochen. Nein, sagte der Mann, das soll keine schlimmen Konsequenzen für uns oder einen einzelnen Mitarbeiter haben. Das war natürlich uns gegenüber ganz nett, aber reagieren konnte ich auf diese Weise natürlich auch nicht.

Es könnte natürlich auch sein, dass der Junge bei uns selber überhaupt keinen harten Alkohol ausgehändigt bekommen hat und diese Behauptung einfach nur aus Rache oder Wichtigtuerei in den Raum geworfen hat. Immerhin nehmen wir das mit dem Jugendschutz hier wirklich sehr ernst (denkt dran: "gefühlte 30") und sind uns den möglichen Diskrepanzen zwischen Aussehen, Auftreten und tatsächlichem Alter durchaus bewusst.

Weil ich dumm bin…

Ein fünzehnjähriger Junge steckte sich zwei Dosen eines Energydrinks in die Jackentasche und verließ den Laden, ohne diese zu bezahlen. Da meine Mitarbeiterin sichergehen wollte, dass er die beiden Dosen nicht nur aus dem Regal genommen, sondern auch tatsächlich eingesteckt hatte, guckten wir uns den Vorgang noch mal auf der Videoaufzeichnung an. In der Zwischenzeit waren der junge Mann und sein Begleiter bereits halb durch die nächste Seitenstraße. Da er wohl nicht damit gerechnet hatte, dass wir ihn verfolgen würden, rannte er entgegen unserer Erwartungen nicht weg.

So überholten wir die beiden, stellten uns ihnen unerwartet in den Weg und nutzen den Überraschungseffekt, dem Dieb die beiden noch ungeöffneten Dosen direkt aus der Hand zu nehmen. Er wollte protestieren, erzählte, dass er Dosen die bereits mitgebracht gehabt hätte, aber das entsprach natürlich nicht der Wahrheit. Brav folgte er uns in den Laden, wo wir schließlich seine Personalien aufnahmen.

Von uns hatte er die Chance, seine Eltern zu kontaktieren, was er aber nicht tun wollte. Da wir ihn aber auch nicht einfach so wieder laufen lassen wollten, riefen wir doch die Polizei an, die ihn die "volle Härte" des Gesetzes spüren ließ. War nicht ganz nett, aber vielleicht hatte es ja einen Lerneffekt für ihn, das komplette Programm von Befragung, Durchsuchung und einer kostenlosen Fahrt in einem silberblauen Mercedes zu erleben.

Vielleicht hat dieser "Schuss vor den Bug" ja geholfen.

Lustig fand ich noch folgenden Dialog zwischen einem der Beamten und dem Jugendlichen:
"Warum machst du so einen Scheiß?"

"Weil ich dumm bin?!"