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Volksverdummung

Wer im Internet unterwegs ist, vor allem auf den unterschiedlichen Social-Media-Plattformen, kommt um diese als "Reels" bezeichneten Kurzvideos kaum herum. Seit TikTok mit diesem unsäglichen Perversion des Schnellstkonsumierens von Videos angefangen hat, sind Instagram, Facebook und YouTube auch nicht mehr sicher. Nicht nur, dass einem diese Videoschnipsel überall begegnen, sie sind auch noch meistens so unglaublich nutzlos. Und Nutzlosigkeit ist dabei sogar noch die harmloseste aller Eigenschaften. Gefährlich sind sie, wenn wieder irgendwelche Trends wie das Verzehren von Waschmittelpods oder anderen Merkwürdigkeiten ihre Runde machen.

Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Der Begriff, der mir vorschwebt, ist Volksverdummung. Mein Urgroßvater hatte früher, es ist 40 Jahre her, immer sein Radio angeschrien, wenn auf den Sendern nur englische Musik lief. Da hatte ich, gerade um die zehn Jahre alt, diesen Begriff überhaupt zum ersten Mal gehört. Verwendet habe ich ihn bis heute eigentlich nicht, wofür auch? Dann setzten sich diese Reels durch und je häufiger ich selber dort mal reinzappe, desto schlimmer wird es mit dem Kopfschütteln. Es gibt ja sogar darunter längere und auch durchaus interessante und unterhaltsame Videos, das will ich ja gar nicht abstreiten. Manche Inhalte sind wirklich gut.

Aber was ist das für ein Trend, irgendwelche vollkommen belanglosen Schnipsel zu zeigen und dann mit Texteinblendungen wie "wait until the end" oder "was passiert da?!" oder auch einfach nur Variationen von "nie zuvor gesehen" Hoffnungen darauf zu machen, nicht völlig vergebens zugesehen zu haben?
Dass man nur irgendwelche Ausschnitte eines Ganzen ohne konkreten Anfang oder ein Ende zu sehen bekommt, geschenkt.

Aber um zum Titel zurückzukommen: Warum machen sich Leute die Mühe, so vollkommen nutzlose Videos zu produzieren, in denen anscheinend irgendwelche Wunder geschehen, z.B. durch "Anwenden" und Zusammenschütten irgendwelcher Mittelchen, die dann spektakulärste (z.B. Reinigungs-) Ergebnisse liefern? Oder mit Heißkleber zusammengeschusterte Gerätschaften, die irgendwelche elektrischen Bauteile beinhalten und mit denen "freie Energie" genutzt werden kann, zum Beweis werden dann vom angeblich gelieferten Strom nicht nur die Apparatur selber, sondern auch noch etliche Glühlampen und Motoren angetrieben. Statt über derartige Perpetua mobilia zu lachen, bekommen diese Videos tausende Likes und unzählige Kommentare, in denen die Macher für ihre Kreativität und Leistung in den Himmel gelobt werden.

Was läuft da nur schief bei den Leuten?

Eiswürfel im Becher

Ich bin gerade vom einem Kollegen auf dieses Video gebracht worden mit der Frage, ob wir diesen Artikel nicht auch bekommen können.

Ein paar Eiswürfel in einem pfandfreien Plastikbecher.

Für zwei Euro.

Der Becher muss ja mehr oder weniger sofort verwendet werden, ansonsten schmelzen die Eiswürfel. Warum man das ohnehin schon kalte Getränk (wie im verlinkten Video zu sehen) nicht einfach direkt aus der Flasche trinkt, erschließt sich mir nicht. Zwei Euro für genau welchen Mehrwert? Maximal, um ein bereits warmes Getränk im Augenblick kalt trinken zu wollen. Vielleicht kann mir ja mal jemand erklären, warum die Dinger so gehypt werden.

Aber vielleicht sollte ich in die Produktion solcher Becher mit einsteigen. Eine Handvoll Eiswürfel kostet quasi nichts, die Gewinnspanne an diesem Produkt lässt einem ja schon beim Gedanken daran die Augen leuchten.

Hot-Chip-Challenge

Um was es bei der "Hot Chip Challenge" konkret geht, bekommt man recht umfassend heraus, wenn man den Links der entsprechenden Google-Suche folgt.

Kurz zusammengefasst geht es um die Reaktionen nach dem Verzehr eines quasi unerträglich scharf gewürzten Kartoffelchips und der Darstellung dieser in den entsprechenden Social-Media-Kanälen der beteiligten Personen.

Vor ein paar Tagen rief jemand hier bei uns an und wollte uns auch dieses Produkt anbieten. Der Trend, müssen wir im Sortiment haben, kein Leben mehr möglich ohne diesen Artikel. Danke, nein, nichts für uns.

Aus kommerzieller Sicht ist die Hot-Chip-Challenge übrigens der Hammer. Für den Hersteller. Man bekommt einen Tortilla-Chip. Einen! Dieser wiegt fünf Gramm. Fünf! Und dafür zahlen die Leute ca. 10 Euro. Zehn! Was zu einem Kilopreis von etwa 2000 Euro führt.

Wenn ich mir die Leute in den Videos unter dem Hashtag #hotchipchallenge angucke, mache ich mir jedenfalls keine Sorgen mehr, dass die Menschheit noch dümmer werden könnte. Das ist wohl schon das unterste Ende der Nahrungskette.