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"Nice Try" oder wahre Dummheit?

Letztes Jahr hatten wir eine Aushilfe für 10 Stunden pro Woche eingestellt. Es gab zwar keinen schriftlichen Arbeitsvertrag, aber sämtliche besprochenen Modalitäten entsprachen unserer üblichen Vorgehensweise. Nach ein paar Monaten bekamen wir von der Mitarbeiterin eine fristgerechte Kündigung und sahen von dem Moment bis zum offiziellen Ende des Arbeitsverhältnisses von ihr nur noch Krankschreibungen.

Krankheit ist zwar auch bezahlte Zeit, aber in diesem Fall ist uns das aufgrund der etwas unübersichtlichen Situation schlichtweg durchgerutscht. Daran konnte nichtmal ein Brief etwas ändern, den wir nachträglich von der Frau bekommen hatten. Da wir selber noch Arbeitsbekleidung von ihr zurückzubekommen hatten, rutschte der Brief in einen Haufen mit anderen Personalunterlagen und geriet dann in Vergessenheit.

Einige Monate später bekam ich ein Einschreiben einer Anwaltskanzlei. Dort wurde eine Gesamtforderung von über 1000€ gestellt. Denen hatte diese ehemalige Mitarbeiterin gesagt, dass sie bei mir für 15 Stunden eingestellt worden wäre und entsprechenden Lohnanspruch hätte. Dazu kämen noch zwei Wochen Urlaubsanspruch, die ebenfalls mit einer Zahlung in Höhe von 315€ zu vergüten wären. Diese Berechnung kapiere ich übrigens bis heute nicht. 2 x 15 Stunden x 6,50€ sind ungefähr 195€ und keine 315€.

Nachdem ich das Schreiben gelesen hatte, war ich zugegebenermaßen reichlich verwirrt. Hatte meine Aushilfe so eine verzerrte Wahrnehmung? Haben die Anwälte ihr vielleicht dazu geraten, einfach mal wild drauflos zu fordern? ("Vielleicht zahlt er das ja ungeprüft, dann haben Sie Glück...") – Ich weiß es nicht.

Habe mich dann hingesetzt und in Ruhe ein Schreiben aufgesetzt und erstmal wahrheitsgemäß erklärt, dass die von uns genannten Stundensätze und Wochenarbeitszeiten so besprochen waren und dass wir uns darüber auch gerne vor Gericht hätten streiten können. Dann habe ich einfach mal sämtliche während des Beschäftigungszeitraums tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, den Urlaubsanspruch und die Krankheitstage gegen das von mir nachweisbar abgerechnete und bezahlte Geld gegengerechnet.

Keine Überraschung: Es bestand tatächlich noch ein Anspruch.

Kleine Überraschung: Es waren insgesamt nichtmal 120€.

In einem weiteren Schreiben des Anwalts erklärte man sich schließlich mit der Zahlung des von mir vorgerechneten Betrags einverstanden.

Aber die Arbeitsklamotte habe ich bis heute trotz mehrfacher Aufforderungen immer noch nicht zurück.

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Kommentare

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Michael am :

Die hättest du auch über den Anwalt zurückfordern müssen oder mit dem Betrag statt zu zahlen mit der Arbeitskleidung gegen zu rechnen.

mud am :

6,50 Euro pro Stunde?

Selbst für eine Aushilfe wirklich eine sehr schlechte Bezahlung Herr Harste

Ulf am :

6,50 waren doch vor Einführung des Mindestlohns in vielen Einzelhandelsgeschäften üblich für Aushilfen, z. B. für den Regalservice.

Da frage ich mich ja nur, welche Auswirkungen der Mindestlohn bei Björn hat. Höhere Preise? Weniger Gewinn? Ausweichen auf Selbständige mit Werkvertrag (dann gilt der Mindestlohn nicht)? Stundenkürzung und Chef arbeitet mehr?
8,50 Euro zu 6,50 Euro sind doch schon eine ziemliche Erhöhung der Personalkosten.

mud am :

Zumal zu den 2 Euro Unterschied noch 30 Prozent Lohnnebenkosten kommen...

6,50 Euro ist einfach zu wenig... auch für die Motivation. Klar hat Björn da Probleme vernünftige Leute zu finden.

MiataMuc am :

Das geht echt nicht, aus AG-Sicht: ohne Arbeitsvertrag arbeiten lassen. Du kannst damit echt baden gehen vor Gericht!

der_baladid am :

Ohne Arbeitsvertrag kann man nicht arbeiten und es war auch nie die Rede davon, dass keine Arbeitsvertrag existiert.

Colla am :

"Es gab zwar keinen schriftlichen Arbeitsvertrag, ..."

SoIsDas am :

Eben. Sogar da stehts: Von keinem Arbeitsvertrag war nie die Rede.

Ein Arbeitsvertrag kann auch mündlich geschlossen werden.

Björn Harste am :

Eben. Das ist prinzipiell auch nicht verboten oder problematisch. Nur falls es dann mal schief läuft und man sich um irgendwelche Ansprüche streitet, wird es mit den Beweisen immer schwierig.

Tim Landscheidt am :

Nach dem Nachweisgesetz muss der Arbeitgeber aber bei einem mündlichen Arbeitsvertrag die relevanten Informationen schriftlich festhalten und dem Arbeitnehmer aushändigen, wenn es sich nicht um Weniger-als-einen-Monat-Aushilfen handelt. Da man daher nicht weniger Aufwand hat, würde ich als Arbeitgeber immer die Unterschrift unter einen schriftlichen Arbeitsvertrag abwarten.

Fabian Meier am :

Sehr geehrter Herr Anwalt

Anbei die Rechnung:

50€ je Arbeitskittel (3 Stück)
3 Arbeitsstunden à 80€: 240€

abzüglich 120€ Guthaben

270€ in Summe

Bitte bezahlen sie auf mein Konto:
Horst-Markt Spahrte 123-3556

TooMuchInformation am :

Sogar Kittel und Stunden werden geklauft, der ist doch nicht mehr ganz Fisch, der Markt.

Aushilfe am :

Da (dampf)plaudert wieder mal einer aus dem Nähkästchen ... Und ja, die wertvollen Arbeitsklamotten aus Bangladesh ...

Ackermann am :

Wer Stundenlöhne von 6,50 zählt, der darf sich nicht wundern.

mud am :

Aber ehrlich...

Die bösen großen Discounter zahlen selbst viel mehr.

Wer vernünftige Mitarbeiter will, muss vernünftig bezahlen!

Nicht der Andere am :

Anzuwerbenden Teilzeitverkäufern - auch ohne Ausbildung oder Erfahrung - bietet Aldi in Südhessen 14€ pro Stunde (zuzüglich Prämie), in München 16,40€/17,50€/18,40€ pro Stunde (nklusiv Prämie) im ersten bis dritten Jahr.

Sonstwer am :

Aldi zahlt in der Branche mit am besten, verlangt aber auch mehr Drehzahl als alle anderen zusammen.
Und wenn die Leistung nicht erbracht wird, bist Du so schnell wieder draußen, wie die Ware über die Kasse geht.

Flamebeard am :

Zum Einen das. Und zumindest hier in BW ist das Thema "unbezahlte Mehrleistung" auch schon bei den Discountern angekommen. Fängt mit 15, 20 Minuten an, die man mal eben unbezahlt dran hängt. Und irgendwann ist man (nominell) wieder beim Mindestlohn...

D.r.i am :

Wenn man bedenkt, dass die Aushilfe noch ihren Anwalt bezahlen muss, bleibt von den 120 Euro ja aber nicht mehr allzuviel übrig.

Manfred am :

Der Anwalt hat Ihr ja auch über € 1.000,- in Aussicht gestellt. Also kann nix schief gehen. Soweit der Plan.

Mladen am :

Wenn die Aushilfe tatsächlich noch Geld zu bekommen hatte und das ihr auch trotz Mahnung nicht gezahlt wurde, dann hat Björn den Anwalt zu bezahlen. Wenn mir jemand geschuldetes Geld nicht zahlt, darf ich mir einen Anwalt nehmen, der das Geld fordert. Der andere muss dann zahlen.

Tim Landscheidt am :

Es geht hier aber um ausstehenden Arbeitslohn, dafür ist das Arbeitsgericht zuständig und dort bleibt jede Partei in der ersten Instanz auf ihren (gegebenenfalls außergerichtlichen) Kosten sitzen.

mud am :

Ich denke, der Anwalt wurde durch uns alle, also Prozesskostenhilfe bzw. Beratungshilfe gezahlt. Was aber nichts an diesem geringen Einkommen ändert.

Julchen am :

Da es ein _mündlicher_ Vertrag war, gilt im Falle eines Falles (z.B. massiver Gedächtnisverlust auf Seiten einer oder mehrerer Parteien) die grundlegende gesetzliche/tarifliche Regelung.

Da die Gegendarstellung vom Anwalt letztendlich anerkannt wurde, sollte man annehmen, daß sich alles im Rahmen dessen bewegt hat, was zu dem Zeitpunkt gesetzlich geregelt war.

Außer natürlich, daß der Anwalt null Ahnung hat und nur seine eigenen Schäfchen ins trockene bringen wollte. Erst den Streitwert künstlich hochtreiben und sich dann mit kaum 10% davon zufrieden geben.
Trau schau wem

ToTo am :

Prozesskostenhilfe ist nicht zwangsläufig ein Geschenk des Staates. Sie kann auch als Darlehen gewährt werden.

Mus am :

Wenn man vorher für 6,50 gearbeitet hat.....

Dann eher KEIN Darlehn

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